Georg Ringsgwandl. „Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris“. München: dtv 2023, 447 S., 28 €.
Ein Roman aus der Welt der Rock- und Punkkonzerte mit einem oberbayerischen Frontman. Nicht für jede und jedermann. Denn die Lektüre setzt voraus, dass man sich sowohl auf den bairischen Dialekt als auch auf den Jargon der Touracts und Bühnentechniker einlässt.
In der Sprache des Romans: die Leserïnnen sollten sich „eintunen“. Der Titel umreißt den Romaninhalt. Doris, die Tourmanagerin des Bandleaders und Kabarettisten Georg Ringsgwandl, erzählt vom Glanz und den Abstürzen ihres Tourlebens. Die fiktionale Erzählsituation kommentiert der Autor als Klappentext so: „Doris beim Schreiben. Weder ich noch die Musiker noch die Techniker ahnten, dass sie außer dem Geschäftlichen noch ganz andere Dinge in den Laptop tippte. Wie gut kennst du jemand, der 26 Jahre mit dir auf Tour war? 1984 kann sie als Babysitterin zu uns, 2010 verschwand sie. So viel zusammen erlebt, und doch bleibt vieles verborgen. Leise Schritte auf dunklen Hotelfluren, Türen öffnen und schließen sich. Wer besucht wen und warum? Geheime Verbindungen –darüber hat sie geschrieben, noch bevor wir kapierten, dass es sie gibt. Nachdem ich ihre Textfiles auf meinem Laptop entdeckt hatte, ging ich auch alte Notizen von mir durch und da kam es mir vor, als hätte Doris meine Texte teilweise so verändert, dass ich nicht mehr sicher war, von wem sie ursprünglich stammten.“
Vorteilhaft zu wissen wäre noch, dass die Bezeichnung „Tourschlampe“ keine Zuschreibung des Autors G. Ringsgwandl ist, sondern aus der folgenden von Doris beschriebenen Situation entstand: „Ich glaube, es war in Kehl am Rhein, wo sich, während ich nach dem Konzert auf einem Flightcase, im Backstage meine Merchunterlagen durchging, zwei Typen am Bühnenausgang unterhielten. Der eine fragte, wer ischn die eigentlich? Und der andere darauf leise, aber nicht leise genug für mein feines Gehör: Des isch die Tourschlampe vom Ringsgwandl. Im ersten Anflug war ich empört, aber dann dachte ich, genau, gleich eintippen, das wird mein Kampfname: Doris, die Tourschlampe.“ (S. 360f.).
Neben den Höhen und Abstürzen des Band- und Tourlebens liefert der Roman aus der Perspektive der Managerin Doris Rupp detaillierte Einblicke in die Doppelkarriere G. Ringsgwandls als Mediziner und als Bühnenkünstler. Insbesondere die Diskrepanz zwischen dem Kardiologen und Familienvater und der schrillen Bühnenfigur als Frontman seiner Band oder König-Ludwig2-Darsteller einer Rockoper.
Und hier begünstigt eine dritte Voraussetzung das Lesevergnügen: nämlich die kulturelle Aneignung einiger Musiktitel und Kabarettnummern, die den Komödianten Ringsgwandl charakterisieren (funktioniert bei YouTube). Sein Humor besteht darin, „lächerliche Dinge ernst und ernste komisch“ zu nehmen (S.179).
Meine erste Begegnung mit den in der Nachfolge Karl Valentins volksmusikalisch geprägten Liedern und Texten ereignete sich 1989 bei der Ausstrahlung eines Konzerts im BR und dem Titel „Nix mitnehma“. Der barocke Vanitas-Gedanke trifft auf heutige Gesellschaftskritik:
Obgleich nördlich des Weißwurstäquators sozialisiert, empfehle ich die Lektüre des obgenannten Romans sehr. JGS